-17.12.2017- Internationaler Tag gegen Gewalt an Sexarbeiter_innen

Vielen Dank für diesen Artikel an unseren Gastautor Andreas Reichelt vom DKP Landesverband Berlin.

hydra2Prostituierte sind in einem besonders hohen Maße verschiedensten Formen von Gewalt ausgesetzt. Seit Jahrhunderten werden sie immer wieder Opfer von Tötungs- und Gewaltdelikten und müssen sich zudem mit struktureller und physischer Gewalt von Seiten der Behörden und der Polizei auseinandersetzen. Prostituierte, weibliche wie männliche, werden kriminalisiert und zugleich kategorisch zum Opfer erklärt, je nach aktueller Gesetzeslage. Auch diese Art der Entmündigung und der Verweigerung von Mitbestimmungsrechten ist eine Form von Gewalt.

Um auf die, in jedem Land anzutreffende Gewalt gegen Prostituierte/Sexarbeiter_innen aufmerksam zu machen, wird jährlich am 17. Dezember der Internationale Tag gegen Gewalt an Sexarbeiter_innen begangen. Neue Gesetze zu schaffen, die ausgehen von der aktuellen Gesetzeslage und der Lebenssituation von Prostituierten in Deutschland, diese einerseits vor Ausbeutung und Illegalität schützen und ihnen anderseits gleichberechtigte soziale und wirtschaftliche Teilhaberechte zuzuerkennen, sind eine heikle und schwierige Angelegenheit.

Der deutsche Bundestag nahm sich Anfang des neuen Jahrtausends dieser Herausforderung an und brachte Ende des Jahres 2001 das vielbeachtete „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten“ auf den Weg. Das genannte Prostitutionsgesetz trat im Januar 2002 in Kraft und sollte Sexarbeiter_innen in vielen Bereichen besser stellen. Betroffen war vor allem die soziale und die rechtliche Stellung der Prostituierten.

Nun konnten sie ihre Tätigkeit als sozialversicherungspflichtige Dienstleistung anmelden und begründeten damit einen Anspruch auf Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung. Durch die neue Legalität ihrer Tätigkeit konnten sie auch endlich noch ausstehende Entgeltforderungen vor Gericht einklagen und sie durften wegen ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mehr strafrechtlich belangt werden. (Vor Inkrafttreten dieses Gesetzes war Prostitution in Deutschland sittenwidrig.) Außerdem wollte der Gesetzgeber die Arbeitssituation von Prostituierten verbessern und stellte das Betreiben von Bordellen nicht länger unter Strafe.

Doch das neue Gesetz war schon nach kurzer Zeit heftiger Kritik ausgesetzt. Zum einen wurde kritisiert, dass viele Formulierungen des Gesetzes so schwammig sind, dass sie selten zur Anwendung kommen. Das betrifft beispielsweise die strafrechtlich anklagbare Ausbeutung von Prostituierten. Zudem wird bemängelt, dass das Gesetz nicht nur die rechtliche Stellung von Prostituierten, sondern vor allem die der Bordellbetreiber und der Kunden gestärkt hat. Manche Stimmen behaupten sogar, dass Prostitutionsgesetz hätte Menschenhandel und Zwangsprostitution Tür und Tor geöffnet. Zu diesem Punkt muss man allerdings sagen, diese Kritik stammt fast ausschließlich von Seiten der radikalen Prostitutionsgegner. Alice Schwarzer bezeichnete dieses Gesetz dann auch als „Zuhältergesetz“. Realität jedoch ist, dass viele Sexarbeiter_innen aus dem Ausland mit Anerkennung nach Deutschland blicken, da sich seit Inkrafttreten dieses Prostitutionsgesetzes die rechtliche Stellung und reale Lebens- und Arbeitssituation von Prostituierten deutlich verbessert hat und international beipielgebend wurde.

Doch der Ton in der Politik änderte sich dann spätestens, als Angela Merkel 2005 Bundeskanzlerin wurde und die Konservativen zunehmend mehr Einfluss gewannen.

Prostitution wurde wieder stärker unter der moralischen Brille gesehen und die traditionellen Klischees und Vorurteile, nachdem eine Frau „ihren Körper kaum freiwillig verkauft“, ergo Prostitution zwangsläufig meist unter Zwang stattfindet, die nicht nur von der klassischen Anti-Prostitution-Front, angeführt von Alice Schwarzer und ihrer Frauen-Zeitschrift EMMA, verbreitet werden, sondern auch einem Gutteil der Medien, fassten nun auch wieder in der Politik immer weiteren Raum.

Im Sommer 2016 wurde nun mit zwei Sitzungstagen das neue „Gesetz zum Schutz der in der Prostitution Tätigen“, das sogenannte Prostituiertenschutzgesetz verabschiedet, kurz ProstSchuG.

Wer sich diesem Gesetz einmal etwas näher widmet – es ist im Internet nachgooglebar, daher verzichte ich hier auf einen Link -, wird schnell erkennen, hier geht es nicht um den Schutz von Prostituierten, es geht ganz eindeutig um Diskriminierung, Kriminalisierung und es ist möglicherweise ein erster Schritt hin auf dem Weg zum völligen Verbot der Prostitution in Deutschland. Es beinhaltet viele rückwärtsgerichtete Bestimmungen, wie etwa die Registrierungspflicht (Sie wurde in Deutschland 1928 auf Druck der damaligen Frauenbewegung abgeschafft.), den sogenannten „Hurenausweis“, den jede Prostituierte ständig bei sich zu tragen hat (In ihm steht ihr realer Name, ihre Wohn- oder Meldeadresse, ihr Familienstand, aber auch die Termine ihrer Registrierungen und der Pflichtberatungen – die alle eins bis zwei Jahre, je nach Alter, wiederholt werden müssen, ebenso wie bei Wohnorts- und Arbeitsplatzwechsel -, etc..

Das Gesetz wird zur Folge haben, dass viele Sexarbeiter_innen, um sich der Registrierung und den Gängeleien der Behörden zu entziehen, in die Illegalität abwandern werden, wo sie dann der Gewalt von Freiern, Zuhältern und Menschenhändlern völlig schutzlos ausgeliefert sind.

Sofort kam dann auch viel Lob und Anerkennung von Alice Schwarzer & Co.

Der berliner „Hurenverein“ Hydra e.V. – in ihm sind zumeist aktive Sexarbeiterinnen, aber auch einige ehemalige organisiert -, hat mehrere Protestaktionen, unter anderem vor dem Bundesrat und im Sommer dann zu den beiden Lesungstagen auch vor dem Reichstag, als auch Aufklärungs- und Informationsveranstaltungen in den Räumen ihrer Beratungsstelle in Berlin-Kreuzberg durchgeführt. Zudem kam heftige Kritik an dem neuen Gesetz auch etwa vom BesD (Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistung), indem Hydra und viele andere „Hurenvereine“ Mitglied sind, wie auch von Amnesty International und vom Deutschen Juristinnenbund (djb). Dabei wies letzterer vor allem auf die vielen Verstöße gegen Grundrechte hin.

Ich führe dieses hier auch aus, weil ich unter anderem darauf aufmerksam machen will, dass Gewalt gegen SexarbeiterInnen bei weitem nicht nur von Einzeltätern, etwa von Freiern und Zuhältern, ausgeht, sondern dass es da vor allem auch die institutionalisierte Gewalt gibt. Darunter verstehe ich die Gewalt von Ordnungsbehörden – das ProstSchuG wird unter anderem zu einer Vervielfachung von Durchsuchungen und Razzien führen -, aber auch die Gewalt, die vom Gesetzgeber ausgeht. Gesetze wie dieses sind brutale Gewalt pur gegen die Sexarbeiter_innen in diesem Land.

Hydra hatte für den 17.12.2016 zu einer Gedenkveranstaltung anlässlich des Internationalen Tage gegen Gewalt an Sexarbeiter_innen in Berlin aufgerufen, an der ich als Fördermitglied mich natürlich beteiligt habe. Sie fand direkt neben dem Reichstag statt, an der Kreuzung Ebertstraße/Scheidemannstraße. Beteiligt waren einige Sexarbeiterinnen, die Mitgliederinnen von Hydra sind, aber auch einige Unterstützer. Es wurde ein großes Transparent entrollt mit der Aufschrift: “17.12. – Internationaler Tag gegen Gewalt an Sexarbeiter*innen“, Tee, Glühwein, sowie Gebäck und Kekse verteilt, Kerzen zum Gedenken an die Opfer von Mord und Gewalt mit Todesfolge unter ihnen entzündet und rote Nelken als dem Symbol der Frauenbewegung niedergelegt. Und es wurden einige interessante Gespräche geführt.

hydra3In ihrer Rede wies eine Sexarbeiterin von Hydra darauf hin, dass in Ländern, in denen Prostitution verboten ist, die Mordzahlen an Prostituierten am höchsten sind. Was ich sehr nachvollziehbar finde. Verbote schaffen Prostitution nicht ab. Sie findet nur in der Illegalität statt. Doch dort sind Prostituierte – wie oben schon ausgeführt -, völlig schutzlos der Gewalt von Menschenhändlern und Zuhältern ausgesetzt. Und eben der Gewalt von Freiern. Doch was will die Prostituierte machen, wenn sie von ihrem Freier geschlagen und schwer misshandelt wird? Ihn anzeigen? Und somit gestehen, dass sie einer verbotenen Tätigkeit nachgeht? Für Freier und Zuhälter ist das doch das perfekte Erpressungsmittel. Und auch in dieses Rede wurde klar, dass Sexarbeiter_innen gerade in der institutionalisierten Gewalt und im besonderen in diesem sogenannten Prostituiertenschutzgesetz das vielleicht sogar größere Problem sehen. Und dass es gilt, für Freier, Unterstützer, Gewerkschaften und die politische Linke, aber auch für jeden anderen, der sich gegen Diskriminierung und Ungerechtigkeit von Minderheiten und sogenannten Randgruppen einsetzt, sich jetzt endlich mit Sexarbeiter_innen zu solidarisieren. Es ist spät, aber es ist nie zu spät!

Leider ist es so, dass Hydra – wie die „Hurenvereine“ anderer Bundesländer -, ein eher kleiner Verein ist, da es unter Sexarbeiterinnen, bedingt durch die Stigmatisierung und der Tatsache, dass viele Prostituierte selten in Kontakt mit mehreren Koleg_innen außerhalb ihres eigenen Arbeitsortes/Bordelles kommen, kaum Politisierung und Solidarisierung gibt. Diejenigen, die sich doch entscheiden, politisch aktiv zu werden und sich dann in Vereinen wie Hydra organisieren, sind dann aber besonders aktiv, und ich muss immer wieder feststellen, dass nicht wenige von ihnen kapitalismuskritische und linke Meinungsbilder entwickelt haben. Was ich gut nachvollziehen kann, wenn man ihren Alltag und die ständige Diskriminierung und Kriminalisierung berücksichtigt. Die eben von der Gesellschaft als ganzes, aber vor allem auch von Politik und Staat ausgeht.

Da aber, wie gesagt, Hydra ein eher kleiner Verein ist, bleibt seine Mobilisierungsfähigkeit leider eher bescheiden. Was an der Zahl der anwesenden „Protestanten“ dann auch erkennbar war.

Ich denke, Fazit für uns als Kommunisten – es stellt sich nicht zu allererst die Frage, für oder gegen Prostitution, sie wird es weiter geben, aber es gibt bundesweit hunderttausende betroffener Sexarbeiter_innen. (Genaue Zahlen gibt es nicht, da es keine wissenschaftliche Erfassung gibt. Der BesD geht von 80.000 bis 200.000 Sexarbeiter:innen aus, es gibt glaubhafte Schätzungen bis in die Höhe von 400.000. Hydra selbst stellt keine Schätzungen in die Öffentlichkeit. Andere Schätzungen bis 800.000 halte ich allerdings für deutlich zu hoch gegriffen.)

hydra1Man muss nicht alle Forderungen der Sexarbeiter_innen teilen. Etwa die Forderung, Sexarbeit wie jede andere Arbeit auch zu behandeln. Auch wenn diese sehr zentrale Forderung von BesD, Hydra & Co aus für mich sehr nachvollziehbaren Gründen verständlich ist, da man anders Stigmatisierung, Diskriminierung und Kriminalisierung nie wirklich entscheidend bekämpfen kann. Und dennoch wäre zum Beispiel das ProstSchuG im Sommer verhinderbar gewesen, gäbe es mehr Solidarisierung durch die politische Linke und mehr Druck von der Straße, da noch nicht einmal die PDL und die BündnisGrünen einstimmig gegen das Gesetz gestimmt haben.

Lasst uns also überlegen, wie wir als Kommunisten Sexarbeiter_innen in ihrem berechtigten Kampf gegen Stigmatisierung, Diskriminierung und Kriminalisierung unterstützen können, wie wir uns solidarisch an ihre Seite stellen können, wenn sie für ihre Interessen und mehr Rechte kämpfen! Ich habe selber schnell festgestellt, dass sie überhaupt keine Berührungsängste mit Kommunisten haben, wenn sie sehen, dass sie und ihre Probleme von uns ernst genommen werden. Wir sollten es umgekehrt ihnen gleichtun!

2 Kommentare zu „-17.12.2017- Internationaler Tag gegen Gewalt an Sexarbeiter_innen

  1. ich finde es problematisch, weibl.&männl.prostitution unter „sexarbeiter“ gleich zu behandeln. Frauen sind sicher öfter mal übergriffen von männern ausgesetzt.fast andersherum scheint es sich jedoch bei mann-männl.prostitution zu verhalten. hier wurden schwule schon häufiger gewalt-oder gar Todesopfer von strichern. auch dient hier das sich prostituieren nicht immer der geldbeschaffung -die annahme daß alle stricher arm seien ist ein falsches linkes klischee- sondern stricherei dient auch öfter mal verkappten schwulen jungs die damit nicht klarkommen(und sich für hetero halten) zum psychischen Selbstbetrug:“ich bin ja nicht schwul,ich hab´s ja nur für Geld gemacht“.insofern geht ein Artikel der nur die sexarbeiter als opfer möglicher gewalt sieht,aber freier nie,an der Realität vorbei.

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