Strategien gegen Homonationalismus in Europa

Am vergangenen Wochenende, fand am 29. Januar 2011 im Herzen von Kopenhagen ein Kongress von linken Queer-Gruppen aus Dänemark, den Niederlanden, Portugal und Deutschland statt. Angekündigt, aber nicht erscheinen, konnten Vertreter aus Italien, Spanien und Schweden.
Im Mittelpunkt stand die Diskussion um Aktionsformen gegen den Mißbrauch von unter anderem Homosexualität als rassistisches Kampfmittel kapitalistischer Staaten. Dieses sogenannte „pinkwashing“ (zusammengesetzt aus dem ugs. engl. „peenk“ und „washing“; ursprünglich wurde damit Marketing für Anti-Krebs-Medikamente bezeichnet, in welchem Pharmakonzerne vorgaben einen Teil ihrer Einnahmen für gemeinnützige Zwecke zur Beseitigung der Krankheit zu spenden) wurde beispielsweise von Israel für eine Kampagne eingesetzt, in der es sich selbst als schwules Paradies in Szene setzte, das gegen die homophoben Barbaren in Palästina vorgehen muss. Oder den USA, die damit ostentativ ihren „Krieg gegen den Terrorismus“ auch als Kampf für schwul-lesbische Rechte deklariert. In Deutschland nehmen wir es wahr durch die Diskriminierung einer Minderheit durch eine andere. So zum Beispiel homosexuelle Deutsche die homosexuelle Ausländer oder Transsexuelle ausgrenzen, vollpöbeln, verprügeln. Diese Tendenz veranlasste bekanntlich Judith Butler zur Ablehnung des ihr zugedachten „Zivilcourage-Preises“ auf dem Christopher Street Day (CSD) 2010 in Berlin.
Letzteres nahm dann auch DKP queer in seinem halbstündigen Vortrag auf dem Queer-Seminar der Einheitliste Dänemarks als Aufhänger für seine Ausführungen. Wir berichteten über unsere Erlebnisse auf dem Vorbereitungstreffen des Motzstraßenfestes, auf welchem ein schwuler Türke für seinen Hinweis auf rassistische und transfeindliche Übergriffe von den Beteiligten belächelt wurde. Desweiteren über die zunehmende Kommerzialisierung der CSDs in Deutschland und unserer Beteiligung daran bzw. Forderung nach Repolitisierung derselben. Unsere internationalen Kontakte zur KJÖ, mit der wir zusammen eine erfolgreiche Aktion gegen den homophoben Reggae-Sänger Sizzla durchgeführt haben oder unsere Gespräche mit CENESEX über Homosexualität in Kuba fanden ebenfalls interessierte Zuhörer. Abschließend lieferten wir einen vergleichenden Exkurs über Transsexualität in der DDR und BRD aus erster Hand (Hierzu wird es in eine der kommenden Ausgaben der red&queer auch ein Interview geben.), in welchem die fortschrittlichere Praxis in der DDR mit angenehmer Überraschung aufgenommen wurde. Wir wollen uns mit diesen ganzen Themen auch in den bevorstehenden Berliner Wahlkampf einmischen.
Beeindruckend war die Herausstellung der herausragenden Bedeutung des Internets für die Organisation politischer Aktionen. In Dänemark sind mehr als 80 Prozent der Haushalte mit einem Internetanschluss ausgestattet. Noch höher ist die Abdeckung in den Niederlanden. Besonders die dänischen Teilnehmer des Queer-Seminars erfuhren maßgeblich über Plattformen wie Facebook von der Veranstaltung. Die Versuche bürgerlicher Politiker diesen Freiraum zunehmend zu beschneiden, erscheinen unter dieser Prämisse in einem frappierend enthüllendem Licht.
In der sich an die Referate anschließenden Diskussion wurde der Austausch europäischer Erfahrungen als befruchtend aufgenommen. Fraglich blieb, was der nächste Schritt sein soll und wie wir uns konkret gegen Rassismus und Homophobie bzw. die Instrumentalisierung von „gay rights“ als Homonationalismus wehren können.
Als problematisch ist hier sicher die mangelnde internationale Koordination antikapitalistischer Kräfte zu nennen. Eine von der sozialen Frage losgelöste Queer-Poltik wird hier sicher keinen Erfolg haben. Wie das zu lösen ist, blieb am Ende der Tagung leider offen. Wünschenswert wäre vielleicht diesen Diskurs in bestehende Netzwerke von sozialistischen, kommunistischen und Arbeiterparteien auf der Welt zu integrieren. Schließlich ist es ein Grundanliegen progressiven Denkens „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“ (Karl Marx, 1844)
Veröffentlicht in: Unsere Zeit (UZ) vom 11. Februar 2011
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