Ein Fall politisch motivierter Willkür

Und schon wieder ein Artikel zum Thema Sexarbeit. Uns erreichte die Nachricht dass dem Verein Doña Carmen e.V. die Gemeinnützigkeit entzogen wurde.

Logo_Doña_CarmenDoña Carmen e.V., Verein für die sozialen und politischen Rechte von Prostituierten, ist im September 2015 mit sofortiger Wirkung (und rückwirkend bis 2011) vom Finanzamt Frankfurt die Gemeinnützigkeit aberkannt worden.

Die Gründe dafür scheinen auf den ersten Blick an den Haaren herbeigezogen: „Unterstützung der Frauen aus der Prostitution in steuerlichen Fragen“, „Anbieten von Bordellführungen“ in der Frankfurter Bahnhofsviertelnacht.

Der eigentliche Kernvorwurf gegenüber Doña Carmen lässt allerdings aufhorchen: Dem Verein wird vorgeworfen, dass er „laufend“ und zudem „nicht neutral“ politische Ziel verfolge, „indem er sich für politische Anliegen der Prostituierten einsetzt“.

Ausdrücklich zur Last gelegt wird Doña Carmen das „Eintreten für die Anerkennung von Prostitution als Beruf“.

Gemeinnützigkeit“ als politischen Kampfbegriff

Die Entscheidung der Frankfurter Finanzbehörde – sollte sie ein Präzedenzfall werden – ist politisch hoch brisant. Denn man instrumentalisiert „Gemeinnützigkeit“ als politischen Kampfbegriff. Das Gemeinnützigkeitsrecht wird in reaktionärer Weise politisiert. Es geht dabei um die Aufkündigung eines bundesweit seit fast 30 Jahren geltenden politischen Konsens, wonach Beratungsstellen für Sexarbeiter_innen, die in der Regel als gemeinnützige Vereine organisiert sind, als Experten in Sachen Sexarbeit und als anerkannte Fürsprecher_innen für die Anliegen von Sexarbeiter_innen gelten.

Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit hat gravierende Nachteile hinsichtlich der Finanzierung der Arbeit der Beratungsstelle und bereitet erhebliche Probleme. Das würde anderen Beratungsstellen – angesichts chronischer Unterfinanzierung – nicht anders ergehen.

Wenn es also um eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Beratungsstellen für Sexarbeiter_innen geht, dürften zuständige Behörden – die Maßstäbe des Frankfurter Finanzamtes zugrunde gelegt – kaum in Verlegenheit geraten.

Ein Fall politischer Willkür

Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit bei Doña Carmen e:V. ist ein Fall politischer Willkür und zeigt, wie es gehen kann:

Wenn in der Vergangenheit die Gemeinnützigkeit von Doña Carmen anerkannt wurde, so hat sich mithin nicht die Praxis von Doña Carmen, sondern die Gesinnung der Frankfurter Finanzbehörde gewandelt.

Gleiches gilt auch für das Eintreten für die Anerkennung von Prostitution als Beruf. Seit der Gründung vor 18 Jahren tritt Doña Carmen ohne Abstriche für dieses Recht ein. In all diesen Jahren wurde unsere Gemeinnützigkeit anhand von Tätigkeitsberichten mehrfach überprüft und blieb unbeanstandet. Nun soll das Eintreten für die Anerkennung von Prostitution als Beruf uns plötzlich die Gemeinnützigkeit kosten. Das ist ohne Zweifel politische Willkür.

Der Zeitpunkt ist kein Zufall

Es ist kein Zufall, dass diese Aberkennung der Gemeinnützigkeit gerade zu einem Zeitpunkt geschieht, wo mit dem „Prostituiertenschutzgesetz“ eines der repressivsten Gesetzesvorhaben gegen Sexarbeiter_innen in der deutschen Geschichte geplant ist. Die BRD Regierung schickt sich an, ein Gesetz zu verabschieden, dass mit der geplanten Registrierungspflicht für Sexarbeiter_innen an Maßnahmen anknüpft, die es zuletzt unter den Nazis gab. Angesichts dieser Umstände von Beratungsstellen wie Doña Carmen e.V. politische „Neutralität“ zu fordern, ist dreist.

Es dürfte auch kein Zufall sein, dass es ausgerechnet jene zuerst trifft, die sich entschieden für die Rechte von Sexarbeiter_innen eingesetzt haben.

Ein Angriff auf die Rechte von Sexarbeiter_innen

Man schlägt Beratungsstellen, meint aber die Sexarbeiter_innen. Ihnen soll es an den Kragen gehen. Ihnen sollen nicht nur Rechte, ihnen soll auch die Möglichkeit praktischer Unterstützung genommen werden. Die Aufkündigung des politischen Konsens hinsichtlich des Umgangs mit Beratungsstellen wird für die betroffenen Sexarbeiter_innen also nicht ohne Folgen bleiben.

Weitere Informationen unter www.donacarmen.de dort kann auch die zwölfseitige Auseinandersetzung mit der Position der Frankfurter Finanzbehörde heruntergeladen werden.

 

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